Die bisherige Geschichte: Ende der 1970er Jahre gibt sich eine neue vierköpfige Band mit dem Namen Hans-A-Plast, benannt nach einem selbstklebenden Pflaster mit nicht haftender Wundauflage. Die Reihen der Gruppe werden bald durch einen fünften Beatle – oder sollten wir ein fünftes Pflaster sagen – Annette verstärkt, sodass sich Schlagzeugerin Bettina ausschließlich auf ihr Schlagzeug konzentrieren kann. »Keine der neuen Bands kann es an Energie mit Annette aufnehmen, sie kann einen in die Knie zwingen«, verkündet Alfred Hilsberg im Sounds-Magazin. Die Band gewinnt die Wahl zu den Newcomern des Jahres, gewählt von den Lesern der Musikzeitung. Sie spielen Konzerte, wann und wo sie welche bekommen: ein antifaschistisches Festival in Berlin, die Wuppertaler Börse, das »Into The Future«-Festival in Hamburg. Bald sind sie bereit, ein Dutzend Songs in ihrer Heimatstadt Hannover aufzunehmen. Sie brauchen dafür weniger als eine Woche, inklusive Mix. Wenn die Musikindustrie anruft, halten Hans-A-Plast sie mit unverschämten Forderungen in Schach. Das gleichnamige Debütalbum mit dem Cover des Cartoonisten Uli Stein erscheint in echter DIY-Manier auf dem eigens von der Band gegründeten Label »No Fun«. Mit tausend Exemplaren wären sie in der Gewinnzone, doch noch vor Beginn des neuen Jahrzehnts verkaufen sie das Zehnfache. Beim 2. No Fun Festival sind 2000 Zuschauer. Es geht alles sehr schnell. Für eine Rockpalast-Fernsehsendung wird 1980 ein legendärer Auftritt mitgeschnitten. »Rockpalast zu Gast bei Hans-A-Plast«, ruft die junge Punksängerin zur Eröffnung ins Mikrofon. »Wir waren immer in Eile«, flüstert sie ins Telefon, als ich sie nach dem zweiten Album ihrer alten Band frage. Ständig wurde neues Material produziert, auch aus pragmatischen Gründen. Die Konzerte wurden länger. Live-Shows waren ihnen immer wichtiger als die Platten, sagt Annette. Während Zehntausende noch immer den Sound des Debütalbums genießen, haben Hans-A-Plast ihre 1-2-3-4-Punk-Tage bereits hinter sich gelassen. Die Band macht eine wahre Metamorphose durch. Annette stürzt sich mit ganzem Herzen in ihre Rolle als Texterin, lässt sich von Leuten wie Sex Gang Children inspirieren und hängt in der Kneipe Rote Kuh herum, die von in Hannover stationierten britischen Soldaten frequentiert wird – einer von ihnen, Chas Briggs, gestaltet die Rückseite der neuen LP. Aufgenommen im November 1980 im Toncooperative-Studio in Hannover (wie sein Vorgänger), explodiert das zweite Album geradezu vor instrumentaler Dringlichkeit: Seine dissonanten Gitarren und zunehmend avantgardistischen Arrangements erinnern an die New Yorker No-Wave-Szene. Ein singuläres Nervenzittern wird jäh unterbrochen, bevor alles wieder vorwärts rast, links, rechts, radikale Rhythmuswechsel, Viertelschläge der Bassdrum umkreisen atonales Saxophon, Kinderreime werden durch den Fleischwolf gedreht ... diese Hektik spiegelt sich in Annettes Gesangsmelodien, die zwischen Chormädchen und Krächzen changieren, jauchzen, fast jodeln, enthusiastisch von Selbstverbrennung oder Morddrohungen gegen (längst verstorbene) Schauspieler singen. Schlagzeugerin Bettina strickt fleißig in den Aufnahmepausen, und so ist es passend, dass das Cover der neuen LP (erschienen 1981) ein Kleidermuster zeigt. Als im Juni die nächste »No Fun«-Tour ansteht, ist Bettina im fünften Monat schwanger. Die Band legt eine Pause ein, Bettina und Micha werden Eltern und Annette geht zurück nach England, wo sie zwei Abiturprüfungen macht. Sie singt zwar noch vom Tütchenkleben, aber Pakete packen muss sie nicht mehr. Die Tantiemen von Hans-A-Plast reichen zum Leben.
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